Ein Probenbesuch beim Kurs DS 12
In der Aula während der Mittagspause: Sie sitzen auf Stühlen zerstreut, einige essen Salzstangen. Frau Pack und Saskia, ihre Assistentin, stehen am Rand und besprechen die letzten Sachen.
„Okay, es ist Viertel vor!“, ruft Frau Pack schließlich. Einige räkeln sich. Es dauert eine Weile, bis sich alle einundzwanzig Schüler-Innen in einen Kreis gefunden haben und noch einmal so lange, bis es endlich ruhig ist. Ich zähle nur sechs Jungs.
Schließlich sagt Frau Pack: „Ich sag euch jetzt, was wir heute machen – was ihr schon wüsstet, wenn ihr meine Es-em-es gelesen hättet!“, sie beugt sich vor und flüstert: „Wir machen heute … das Ende!!“
„Huuuh!“, raunen mehrere.
In der nächsten Viertelstunde werden organisatorische Dinge für den Auftritt diskutiert. Dann soll der Kreis vergrößert werden für die Erwärmung.
„Dominik, tu diese Dinger weg, wir machen jetzt den Energie-Kreis!“ Ein Junge zieht brummelnd seine Hand aus der Salzstangenpackung.
Das Wort „Hepp!“ soll mit einem Klatscher im gleichen Tempo weitergegeben werden. Das ist schwer. Manche machen es eher zaghaft, andere voller Energie. Immer an der gleichen Stelle im Kreis ist jemand zu schnell.
„Hepp!!“ „Hepp …“ „He-“ „Hepp!“ „Hepp?“ „Äääähh … Hepp.“
„Also, ein paar Mal war’s wirklich gut“, sagt Saskia.
„Gut, dann fangen wir an! Jeder nimmt sich ein ‚Ende‘!“
Während die Texte verteilt werden, quatschen alle.
Schließlich formt Frau Pack aus ihren Händen einen Trichter und ruft über das Gebrabbel: „Besetzung ‚Mit‘ fängt an! Besetzung ‚Ohne‘ nimmt sich einen Stuhl!“
Ein Drittel der Schüler-Innen setzt sich Beine baumelnd – und weiterhin redend – auf den Bühnenrand, ein anderes Drittel stellt sich daneben. Der Rest verkriecht sich auf den Stühlen.
„Besetzung ‚Mit‘ auf die Bühne!“, schallt die Durchsage.
„Ach, jetzt hab ich keinen Text“, murmelt Frau Pack.
Die Szene, die geprobt wird, ist für alle Spieler-Innen völlig neu. Um sie kennen zu lernen, wird sie technisch durchgegangen: Jeder soll seinen Text sprechen und die Regieanweisungen befolgen, sich aber noch nicht auf das Spielen konzentrieren.
Es geht los. Ein Schüler sitzt am Klavier und klimpert, zwei Mädchen kommen eingehakt auf die Bühne und fangen an, ihren Text vorzulesen. Eine setzt sich auf das Sofa, spricht einen Satz, steht wieder auf. Sie fällt aus der Rolle: „Hä, das ist ja voll sinnlos.“
„Ja, ist auch sinnlos“, bestätigt Saskia und schlägt ihr vor, was sie stattdessen machen könnte. Sie versucht, allen Spieler-Innen die Atmosphäre der Szene näher zu bringen.
„Gut, aber jetzt ist ja erstmal ein technischer Ablauf. Dass ihr wisst, wie die Auf- und Abgänge sind und so weiter.“, sagt Frau Pack. „Also nochmal!“
Nach zwei Sätzen wird wieder unterbrochen. Auf einmal spaltet sich die Runde – sowohl auf der Bühne, als auch im Zuschauerraum – in kleine Grüppchen. Alles redet durcheinander, nur ein paar Sätze fliegen heraus („Jetzt versteh ich gar nichts mehr!“ …) Saskia diskutiert mit einer Schülerin neben ihr.
Frau Pack: „Wir müssen weiter machen.“
Nichts tut sich. Saskia, die neben ihr steht, redet angeregt weiter.
Frau Pack: „Wir müssen weiter machen!“
Eine Schülerin mischt sich in Saskias Gespräch ein. („Ja genau, und ich hab grad schon zu ihr gesagt – “)
“WIR MÜSSEN WEITER MACHEN!”
Saskia wird von Frau Pack zur Seite gezerrt, weg von den beiden Mädchen.
„Oh ja, richtig. Richtig.“
„Aber die müssen doch auch nichts tun!“, sagt jemand und deutet auf die andere Besetzung, die bisher die ganze Zeit zugeschaut und den Text verfolgt hat.
„Leute, es gehört zu DS dazu, dass man auch mal stehen und sich anstrengen muss und sich nicht gleich hinsetzen und warten kann!“, ruft Frau Pack.
Endlich ist es wieder ruhig.
„Wo waren wir stehen geblieben?“
„Noch ganz am Anfang.“
Die Hauptdarstellerin soll „ein paar Töne ins Mikro krächzen“, aber die Anlage funktioniert nicht. Dinge werden ausprobiert, besprochen und im nächsten Moment wieder verworfen. Es wird sehr oft unterbrochen und wiederholt.
„Ja, jetzt kommen wir der Sache näher!“, ruft Frau Pack mitten in einer Szene. „Könnt ihr Stimmung kreieren?“
„Soll ich den Kopf auf ihre Schulter legen?“, fragt jemand. „Probier mal! Ja, das ist gut. Erzählerin, ich warte auf deinen Auftritt!“
„Oh!“
„Biete mal was an! Ist ja noch nicht durchgestylt.“
Schließlich ist eine ‚Zwischenszene‘ dran. Es dauert eine ganze Weile, bis sich die ‚Movers‘ in einer Reihe vor der Bühne aufgestellt haben. Kleines Chaos.
Als es so weit ist, verfolgen alle gebannt das Spiel. Jetzt ist es ganz leise, nur wer dran ist, spricht. Textblättern.
Am Schluss betroffene Stille. „Das ist voll traurig.“, sagt jemand. Ich hab Gänsehaut.
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Vorstellungen am 30.06.2015 (1. Besetzung) u. 01.07.2015 (2. Besetzung), jeweils um 19 Uhr in der „Königstadt“, Saarbrücker Straße
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